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Kais Buchtagebuch – Walter Moers – „Das Labyrinth der träumenden Bücher“ (Deutschland, 2011)

Kais Buchtagebuch – Walter Moers – „Das Labyrinth der träumenden Bücher“ (Deutschland, 2011)

Ah, Zamonien. Ein Land, in dem alles möglich erscheint, in dem alle nur erdenklichen Kreaturen zu leben scheinen und so ziemlich jede Literaturgattung ihren Abnehmer findet. Es war im Jahre 2004, als Walter Moers die Leser mit dem ersten Teil der Memoiren Hildegunsts von Mythenmetz bekannt machte. Das frühe Leben eines der größten zamonischen Autoren war erfolgreich genug, dass Moers sich daran machte, einen weiteren Teil der Autobiographie zu übersetzen.
200 Jahre sind seit dem ersten Buch vergangen, und Hildegunst von Mythenmetz hat sich auf der Lindwurmfeste verkrochen, sonnt sich in seinem Erfolg und verspeist das ein oder andere Teigtäschchen zu viel. Bis, ja bis er eines Tages in seiner Fanpost einen Brief findet, der in beunruhigender Weise mit dem Schattenkönig und seinen eigenen Erlebnissen in Buchhaim im Zusammenhang stehen zu scheint. Nach einigem Zögern wagt Hildegunst den Schritt über die Türschwelle und hinein in die große weite Welt.
In Buchhaim stellt er fest, dass die 200 Jahre nicht nur an ihm nicht spurlos vorüber gegangen sind, sondern auch die Stadt sich erheblich verändert hat. Zu den neuen Vierteln, neuen Institutionen (wie zum Beispiel spezielle Rauchersalons) gesellt sich eine neue Kunstform – der Puppetismus. Dieser ist am ehesten mit unserem Marionettenspiel vergleichbar, geht aber noch ein gutes Stück darüber hinaus mit postexpressionistischen, nihilistischen, surrealistischen Formen (und noch vielen weiteren). Ich könnte jetzt noch gut eine Ewigkeit weiter über den Puppetismus an sich schreiben, denn schließlich nimmt er auch einen Großteil des Buches ein. Hildegunst hat zum Glück seine gute Schrecksenfreundin Inazea, die begeisterte Puppetistin ist und ihm mit Rat und Tat zur Seite steht.
So kommt es auch, dass sie Hildegunst in eine Vorführung in den berühmten Puppaecircus Maximus schleppt, in welchem ein ganz besonderes Stück gezeigt wird, nämlich Hildegunsts Abenteuer aus dem ersten Buch. Und dieses wird jetzt nochmals in aller Genauigkeit beschrieben, nur eben als Puppenvorstellung. Das ist zwar gut für Leute, die das erste Buch nicht kennen, aber im Prinzip ziemlich unnötig. Das hätte man durchaus zusammenkürzen können.
Dermaßen mit dem Puppetismusfieber angesteckt möchte Hildegunst alles über diese Form des Theaters wissen und verschlingt alles, was es über den Puppetismus zu wissen gibt. Er bekommt sogar die Gelegenheit mit dem Begründer des Puppaecircus zu reden. Dieser lädt ihn zu einem ganz besonderen Abenteuer in den Katakomben Buchhaims ein, dem berüchtigten Labyrinth der träumenden Bücher. Dort wird Hildegunst allerdings von seinen Begleitern allein gelassen. Im Dunkeln. Ende vom Buch.
Ja, ganz recht gelesen. Nach einem langen Exkurs über den Puppetismus und der langen Nacherzählung des ersten Buches ist die Geschichte hier quasi zu Ende (na gut, die Geschichte nicht, das Buch aber). Darum kann ich verstehen, dass viele Leute enttäuscht waren von „Das Labyrinth der träumenden Bücher“. Immerhin möchte man ja eine Geschichte lesen, und nicht nur eine Abhandlung über eine fiktive Kunstform, auch wenn diese sehr unterhaltsam war und der Leser vorgewarnt wurde, dass die nächsten Seiten auch übersprungen werden können.
Das erste träumende Bücher-Buch drehte sich vor allem um Literatur, das zweite legt seinen Schwerpunkt offensichtlich auf dem Theaterspiel und, wenn man so will, auch dem Film, quasi einer weiteren Modernisierung des Theaters. Dabei gibt es natürlich nicht nur positive Beispiele, sondern auch ziemlich offensichtliche Kritikpunkte. Seien es blutige Schlachten- und auch Schlachterstücke, die sehr trivial erscheinen, oder aber auch zu verkünstelte Art House-Puppetismusstücke.
Modernisierung spielt aber nicht nur auf der Theaterbühne eine Rolle, sondern auch im Stadtbild. Nachdem „Die Stadt der träumenden Bücher“ auch in Zamonien ein Verkaufserfolg war, wurde aus Buchhaim ein Touristenmagnet. Jeder wollte die Stadt sehen, die fast vollständig niederbrannte. Dadurch waren natürlich einige Neuerungen unumgänglich. Die Rauchersalons habe ich ja schon erwähnt, spezielle, fensterlose Räume, in denen geraucht werden darf (der Brandvermeidung wegen). Und natürlich gibt es auch eine Menge Hotels und neuer gastronomischer Institutionen. Ein wenig peinlich ist dabei die Szene in einem Starbucks-ähnlichem Laden geraten, in welchem Hildegunst Probleme hat, sich einen Kaffee zu bestellen auf Grund der verwirrenden Namensgebung. Nicht nur, dass solche Szenarien schon von vielen anderen genannt wurden, nein, an diesem Punkt verstärkt sich das Gefühl, dass der Autor lieber in der guten alten Zeit leben würde noch viel mehr. Davor gab es schon einige kritische Bemerkungen gegenüber der neuen Hotels und des neuen Stadtbildes. Da bleibt jetzt nur die Frage, ob allein Hildegunst derart unerfreut über große Veränderungen ist, oder wie viel von Moers selbst hier reingeflossen ist. Neben dem Puppetismus-/Theatermotiv ist also auch die Modernisierung ein Thema.
Ein immer wiederkehrendes Element in den Zamonienromanen sind ellenlange Aufzählungen mit erfundenen oder verdrehten Worten, um zum Beispiel Gerichte oder Romane zu nennen. Im letzten Roman, den ich gelesen habe, nämlich dem Schrecksenmeister, kamen mir diese Aufzählungslisten extrem lange vor und traten wirklich häufig auf. Im Labyrinth hat sich das glücklicherweise wieder gebessert, sodass man sich nicht irgendwann vorkommt, als würde man nur einen Einkaufszettel lesen. Was in diesen Aufzählungsfolgen diesmal drin steckt, sind natürlich viele Autoren. Dabei sind die meisten Namen Anagramme bekannter Autoren unserer Welt. Es macht natürlich viel Spaß, immer wieder herauszufinden, wer jetzt wen darstellt (viele kennt man ja auch schon aus älteren Romanen), allerdings kann das auch einen Leser ab und zu aus der Welt des Romans herausreißen, was schade ist.
Eine Lanze muss ich für Walter Moers abschließend noch brechen, denn, wie dieser im Nachwort zu verstehen gibt, ist er sich sehr wohl bewusst, dass das Buch kein richtiges Ende hat, aber, so wie es scheint, wurde ihm von Seiten des Verlags ordentlich Druck gemacht, damit er seinen Zeitplan auch einhält. Darum endet das Buch auch so abrupt. Immerhin gibt es Hoffnung für alle, die sich brennend dafür interessieren, wie es weitergeht. Für diesen Oktober ist nämlich schon der nächste Teil, „Das Schloß der träumenden Bücher“, angekündigt.
Gelesen habe ich die Ausgabe des Knaus Verlags, welches von einem sehr hübschen Cover geziert wird, für welches Walter Moers und Oliver Schmitt verantwortlich sind. Aus dem Zamonischen von Walter Moers.

 
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Verfasst von - Juli 15, 2014 in Buchtagebuch

 

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Kais kurzes Filmtagebuch, „Fifty Dead Men Walking“ (UK/Canada 2008)

Kais kurzes Filmtagebuch, „Fifty Dead Men Walking“ (UK/Canada 2008)

Ganz einfache Mathematik: Wenn „Dead Man Walking“ schon ein guter Film ist, dann muß „Fifty Dead Men Walking“ ja auch 50mal so gut sein. Völlig überraschenderweise trifft das nicht zu, 50mal besser ist ein wenig übertrieben.

Der Film spielt 1988 in Belfast, und es geht um einen Iren, der als Spitzel gegen die IRA eingesetzt wird. Moment…Iren, Undercoverspitzel, hat der Film dann eher was mit „The Departed“ zu tun? Der Vergleich wäre auf jeden Fall treffender. Im Gegensatz dazu wird hier aber das Verbrecherleben, bzw. Terroristenleben eher vage beschrieben, auch die Tätigkeiten und die Organisation der Organisation bleiben eher im Hintergrund. Man sieht selten, wie Anschläge geschehen, bzw. diese verhindert werden. Die erste Hälfte des Films beschreibt eher, wie unser leicht unfreiwilliger Informant mit seiner neuen Arbeit zurechtkommt und wie er dennoch versucht,  sein Privatleben auf die Reihe zu bekommen. Die Bedrohung enttarnt zu werden ist nicht wirklich spürbar. Dazu passt auch, dass er relativ problemlos mit seinem Kontaktmann in Kontakt tritt. Erst spät im Film wird es richtig eng.

Das heißt noch lange nicht, dass der Film deshalb langweilig ist. Schließlich verschafft er einem ein deutliches Bild von der kriegsähnlichen Atmosphäre im Belfast der 80er.

Übrigens ist das ein auf wahren Tatsachen beruhender Film, wobei Martin McGartland, dessen Autobiographie zu Grunde liegt, den Film nicht so toll fand. Scheinbar ist sein Buch da etwas besser, allerdings hat es nicht Rose McGowan, die leider viel zu selten zu sehen ist.

 
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Verfasst von - März 14, 2013 in Filmtagebuch, Kurzes Tagebuch

 

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