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„Trapped – Gefangen in Island“ – Staffel 1 (IS, 2015)

22 Jan
„Trapped – Gefangen in Island“ – Staffel 1 (IS, 2015)

Ich war schon ein mal auf Island, ich bin also ein richtiger Experte auf dem Gebiet. Aber gut, eine Krimiserie könnte man auch bewerten, ohne am entsprechenden Schauplatz schon einmal gewesen zu sein. Fun Fact am Rande, das Fischerörtchen Grindavik, welches zur Zeit wegen eines aktiven Vulkans nicht bewohnt werden kann, lag damals auf unserer Reiseroute.

„Trapped“ spielt in einem kleinen Küstenörtchen Islands. Es gibt kein lokales Krankenhaus, es gibt nur drei Polizisten, aber immerhin fährt die Fähre aus Dänemark den Ort an (und man ist nur 1,5 Autostunden von Rejkjavik entfernt).

Diese Fähre ist Fluch und Segen zugleich, kommt doch so auch allerlei zwielichtiges Gesindel in das Dorf, oder eben eine Leiche. Denn just als das Schiffchen im Hafen liegt, findet man im Fjord einen Torso, auf den häufiger als es gesund ist eingestochen wurde. Das Fehlen von Kopf, Armen und Beinen macht die Identifikation äußerst schwierig. Da jedoch kein Bewohner der kleinen Gemeinde vermisst wird, liegt die Vermutung mehr als auf der Hand, dass es ein Passagier des Fährschiffes sein muss.

Sofort alarmiert das etwas überforderte Team der Gesetzeshüter (nun, der Chef scheint immerhin Erfahrung in Sachen Mordfälle zu haben) die Kavallerie aus der Hauptstadt. Diese würde ja sehr gerne stehenden Fußes aufbrechen, doch macht das berüchtigte isländische Wetter einen Strich durch die Rechnung. Ein Wintersturm mit starkem Schneefall verhindert sowohl die Anreise über Land, da der einzige Pass gesperrt werden muss, als auch den Seeweg. Von einer Flugreise sei erst gar nicht die Rede.

Nun stecken die drei Recken also im Schlamassel und decken im Zuge ihrer Ermittlungen nicht nur so manches schmutzige Geheimnis auf, das so eine kleine Gemeinde nun mal hat (die Barnaby-Fans wissen, was ich meine), sondern am Ende auch den Mord, soviel sei verraten.

„Trapped“ ist die bis dahin teuerste Serie, die in Island produziert wurde (so um die läppischen eine Milliarde Kronen). Das wurde nur dank verschiedenster Geldgeber national wie international möglich (auch das ZDF hat irgendwie seine öffentlichen Finger im Spiel). Das Budget ermöglichte es, talentierte Schauspieler zu casten und verhalf zu einem professionellem, hochwertigen Look. Dies war den Produzenten sehr wichtig. Sie sahen ihre Serie als Türöffner für andere Produktionen, die leichter Geldgeber finden sollten, wenn sie auf diese erfolgrieche Serie verweisen konnten. Ob das letzten Endes so funktioniert hat, davon bin ich nicht so ganz überzeugt. Jedenfalls habe ich keine Schwemme von Islandkrimis im Fernsehen bemerkt.

Die Kulisse trägt natürlich ihren atmosphärischen Teil bei. Der Fjord, die Berge, der Schnee und das Eis, der Wind, all das was eben den Charme dieser Insel im Winter ausmacht.

An dem Projekt waren vier Regisseure beteiligt. Die Produzenten drücken darüber im Making-of mächtig ihren Stolz aus. Aber ehrlich gesagt bin ich entweder zu ignorant, oder aber das macht keinen großen Unterschied. Andererseits dürfte es kaum das Ziel gewesen sein, einen inszenatorischen Flickenteppich zu weben. Letzten Endes muss man sich ja doch dem Gesamtkonzept unterordnen.

Trotz alle dem sind die beiden größten Stärken der Serie die zum Teil sehr speziellen Charaktere, die nie ins Lächerliche abdriften, aber auch nicht so schrecklich depressive Gestalten sind, wie sie den nordischen Krimis gerne mal vorgehalten werden. Zum anderen sind es die menschlichen Dramen, die nie so lange ausgewalzt werden, dass es nur noch nervt. Außerdem wissen die Autoren, wann es genug ist. Schlechtere hätten hier noch ein Ehedrama mehr, oder da noch eine unnötige Szene sexualisierter Gewalt eingestreut. Was das betrifft, läuft das hier richtig rund.

Ganz witzig finde ich ja, dass die Schauspieler für die letzten drei der zehn Folgen nicht mehr das komplette Drehbuch, sondern nur noch ihre Szenen zu lesen bekamen (sicher kein allzu ungewöhnlicher Kniff).

Ólafur Darri Ólafsson ist ein bäriger Typ, und füllt so die Facetten seiner Figur gut aus. Liebender Familienvater? Check. Verbissener Chefermittler im Dorf? Check. Neben Rollen in Film (zum Beispiel im Eurovision Song Contest-Film mit Will Ferrell) und (vor allem) Fernsehen hat er auch häufig als Synchronsprecher zu tun.

Ilmur Kristjánsdóttir, die zweite der drei Polizisten, tat sich bislang vor allem in Produktionen für´s isländische Fernsehen hervor. Sie macht ihre Sache dementsprechend gut, aber nicht mehr.

Ingvar Sigurdsson vervollständigt das Triumvirat der Büttel. Seine Figur ist so ein kleines bisschen trottelig. Technisch nicht ganz auf Höhe der Zeit ist er vor allem mit Solitär am PC beschäftigt. Dennoch mit dem Herz am rechten Fleck. Sigurdsson taucht immer wieder in eher kleineren Rollen in internationalen Produktionen auf. Zuletzt in „Rebel Moon“, davor unter anderem auch in „The Northman“, im berüchtigen „Justice League“, beim Grindelwald, oder „Lamb“ oder „Metalhead“ usw.

Baltasar Kormákur ist hauptverantwortlich für die Entwicklung der Serie. Fleißige Streaming-Vielseher haben vielleicht schon „Katla“ auf Netflix vor die Linse bekommen. Die Idee, den Schauplatz eines Verbrechens von der Außenwelt abzuschneiden und so die Verbrecherjagd zu erschweren ist nicht wirklich neu. Ebenso die ganze Art des Storyaufbaus. Klar, dass die Ermittlung gewisse alte Feindschaften wieder aufleben lässt und einige Geheimnisse ans Licht kommen, die alle lieber verschwiegen hätten. Also, den Kreativitätspreis gibt es dafür nicht. Aber es kommt eben auch auf die Umsetzung an. Und wie erwähnt, ist die ganz gut.

Aber nicht perfekt. Am schwerwiegendsten ist wohl das Wetter. Es ist zwar kein Problem, im Winter auf Island Schnee zu finden. Doch einen andauernden Sturm darzustellen, dafür fehlten dann wohl doch die Mittel. Ich kann nicht glauben, dass eine Anreise völlig ausgeschlossen ist, wenn es den ganzen Tag nicht schneit und kein Lüftchen zu wehen scheint. Da muss man einfach kräftig ein paar Augen zudrücken (im besten Fall nicht die eigenen).

Im Finale gehen den Autoren zudem das eine oder andere Pferd durch. Dass der Besitzer des Kühlhauses nicht weiß, wie er aus eben diesem entkommen kann, falls er dort eingeschlossen wird befremdet, und noch befremdlicher ist der unbedingte Wille des Oberschurken ein Kind zu morden, wenn er doch stattdessen in die Freiheit schiffern könnte.

Es bleibt eine sehr unterhaltsame und spannende Serie, die den Konventionen von Mordgeschichten in kleinen Städtchen gehorcht, mit großen Stärken bei der Kulisse und den Schauspielern. Die folgenden Staffeln sollen qualitativ abfallen, wobei die dritte als „Entrapped“ bei Netflix premierte, aber mittlerweile dort nicht mehr geführt wird (zumindest in Deutschland). Auch in der ZDF-Mediathek sind die späteren Staffeln leider nicht mehr abzurufen.

 
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Verfasst von - Januar 22, 2024 in Serientagebuch

 

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