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Kais Tatorttagebuch – „Die Abrechnung“ (BRD, 1975)

Kais Tatorttagebuch – „Die Abrechnung“ (BRD, 1975)

Die Tatort-Reihe ist aus der Sommerpause zurückgekehrt, wie man so hört, mit einer Folge mit einer Portion Science-Fiction. Viele haben ihn gesehen, ich jedoch nicht, kann mir aber nicht vorstellen, dass die öffentlich-rechtlichen Schreiberlinge da etwas logisches zusammengebastelt haben. Ich habe eine Reise in die Vergangenheit unternommen zu Kommissar Haferkamp aus Essen.

Heinz Haferkamp stellt einen jungen Kommissar dar. Er ist zwar geschieden, doch versteht sich ziemlich gut mit seiner Exfrau, so gut sogar, dass er sie in bis jetzt jedem Fall einmal zu Rate zog. Außerdem hat er eine Vorliebe für Alt und kalte Frikadellen, scheinbar ein angesagter Snack in Essener Kneipen. Letzterer Charakterzug ist übrigens auf dem Mist des Schauspielers Hansjörg Felmy ganz alleine gewachsen.

Es beginnt der Tatort damit, dass Evelyn Stürznickel ihre Stieftochter Angela mit Tabletten versorgt und ins Bett steckt um die angebliche Grippe auszukurieren. Später in der Nacht schleicht Evelyn mit gezückter Waffe die Treppe herunter, offenkundig weil sie den Einbrecher im Wohnzimmer gehört hat. Dieser begutachtet die Leiche von Frau Stürznickels Schwiegervater, der erschlagen wurde, und nur wenige Augenblicke später macht er die Bekanntschaft mit drei Pistolenkugeln.

Die Polizei wird also angerufen, und kommt unter anderem in Form von Kommissar Haferkamp angerückt. Haferkamp stutzt schon ein wenig, dass Angela überhaupt nichts von den Schüssen gehört hat, bzw. so starke Tabletten bekommen hatte, dass sie nicht aufwachte.

An dieser Stelle befürchtete ich schon, dass die nächsten 75 Minuten damit verbracht werden, diesen eigentlich offensichtlichen Mord (zumal für einen Zuschauer aus heutiger Zeit, der im Schnitt schon eine Menge Krimis gesehen hat) aufzuklären. Glücklicherweise ist dem nicht so. Nach ein paar Gesprächen im Umfeld des Einbrechers, in denen sich herauskristallisiert, dass dieser ein Verhältnis mit Frau Stürznickel hatte, glaubt Haferkamp genügend Indizien gegen die Schwiegerwitwe in der Hand zu haben. Offenbar auch die Staatsanwaltschaft, und so kommt es zur Verhandlung. Frau Stürznickel jedoch hat mit Dr. Alexander einen der besten Strafverteidiger zur Hand, der zwar der beste Freund des Verstorbenen war, und auch selber schon die ein oder andere Verdächtigung hat, was dessen Todesumstände betreffen, aber er erklärt sich bereit, den Fall zu übernehmen, unter der Voraussetzung, dass er sein Mandat sofort niederlege, wenn er Beweise dafür bekäme, dass Evelyn etwas mit dem Mord zu tun hat.

Vor Gericht nimmt Dr. Alexander die Anklage auseinander. Er beschuldigt Kommissar Haferkamp, die Angeklagte nur deswegen festgenommen zu haben, weil ihre sexuellen Aktivitäten (neben dem Einbrecher hat sie noch eine Affäre mit einem Tierarzt) nicht in sein spießiges Weltbild passen würden. Die Folge ist der Freispruch. Haferkamp ist geknickt, auch weil seine Meinung von ihm selbst etwas erschüttert wurde. Glücklicherweise kann ihn seine Exfrau etwas aufbauen.

Nach dem Prozess hat der Strafverteidiger Alexander noch eine kurze Unterhaltung mit Angela. Angela möchte ihr Erbe nicht, sondern es wäre ihr lieber, wenn ihre Mutter das Geld bekäme. Zeitgleich flashbackt sie immer wieder zur Mordszene. Offensichtlich war sie gar nicht so betäubt, wie sie allem und jedem weismachen wollte, sondern hat mit angesehen, wie ihre Stiefmutter ihren Großvater umgebracht hatte. Dennoch erzählt sie dem Anwalt nichts davon, sondern verdrückt sich lieber nach Hause. Dort schreibt sie irgendwas und entlässt ihren Vogel aus dem Käfig in die Freiheit.

Eines Tages im Präsidium gönnt sich Haferkamp gerade eine kleine Mahlzeit, als ein Anruf kommt. Angela ist verschwunden, während Evelyn Stürznickel mit dem Tierarzt Kürschner das Wochenende in ihrem Haus am See verbrachten. Noch bevor die Suche wirklich in Gang kommt wird Angelas Leiche aus dem See gefischt. Von da an geht es schnell, Schlag auf Schlag werden immer mehr Hinweise gefunden, die alle auf Evelyn Stürznickel als Täterin deuten und Dr. Kürschner mindestens las Mitwisser. Beide werden also verhaftet, was zu einigen wirklich gelungenen Tiraden Kürschners führt, in denen er sich über das ungerechte Rechtssystem beschwert.

Haferkamp geht der Fall nicht mehr aus dem Kopf, vor allem die Amsel. Zudem die Tatsache, dass Evelyn ihre Stieftochter sehr zugetan war und ihr eigentlich nie etwas angetan hätte, jedenfalls interpretiert er das aus dem Briefverkehr. Letztendlich fällt der Groschen erst, als der Prozess schon im vollen Gange ist. Haferkamp holt sich einen Durchsuchungsbefehl für Dr. Alexander, der wieder die olle Stürznickel verteidigt. Er gibt sich aber verdächtig wenig Mühe. So ist es dann auch kein Wunder, das die beiden Angeklagten verurteilt werden.

Nach Prozessende sitzt der Anwalt ganz alleine im Saal und sammelt seine Unterlagen zusammen, als Haferkamp eintritt, nicht nur mit der Anschuldigung, Dr. Alexander hätte Angelas selbstgemordete Leiche gefunden und sie benutzt, um ihrer Stiefmutter einen Mord anzuhängen, sondern auch mit dem Abschiedsbrief Angelas, der in der Kanzlei des Anwalts versteckt war, und ebenso mit einem Zeugen, der gesehen hat, wer die Tote im See versenkte.

Und am Ende holt Haferkamp den unschuldig verurteilten Kürschner noch höchstpersönlich vom Gefängnis ab. Was genau jetzt mit Evelyn Stürznickel passiert, das bleibt dem Zuschauer vorenthalten.

„Die Abrechnung“ hat mir anfangs wirklich Sorgen gemacht, weil ich dachte, das wird so ein Larifari-Fall, bei dem der Zuschauer nach 10 Minuten schon den Fall durchschaut. Zumal ja schon mit „Wodka Bitter-Lemon“ ein Haferkamp-Tatort einer war, der dieser Kategorie entsprach. Glücklicherweise hat sich das als unbegründet erwiesen. So wird man als Zuschauer durch den ersten Prozess selbst in seinem Urteil verunsichert. Das mag 1975 sogar noch viel besser auf die Menschen vor dem Bildschirm gewirkt haben, vor allem, wenn man sich selber auch den Anschuldigungen an sexuelles Spießertum stellen muss (die Verteidigung Dr. Alexanders). Es ist allerdings sehr schade, dass sich der Film nicht zutraut, diese Unsicherheit noch eine Weile aufrechtzuerhalten und stattdessen Angelas Erinnerungen zeigt. Die zweite Hälfte macht ein größeres Geheimnis um den Täter, bzw. den Tathergang. Am unterhaltsamsten sind dann aber die Auseinandersetzungen zwischen Haferkamp und Dr. Kürschner, besser gesagt, Kürschners Monologe, wie er gegen das Justizsystem wettert und gegen die Ermittlungsart ist herrlich anzusehen.

Als optische Besonderheit bietet „Die Abrechnung“ einige hübsche Überblendungen (also von einer Szene zur nächsten), etwas, das man nicht unbedingt erwartet und die ansonsten konventionelle Arbeitsweise erfreulich auflockert.

Einige Kuriositäten gibt es auch noch zu bestaunen. So erscheint mir eine Amsel als Haustier doch recht ungewöhnlich, oder, dass der Kommissar mit Frau Stürznickel gemeinsam in deren Auto zur Identifizierung der Stieftochter fährt. Weniger kurios als viel mehr tragisch ist die Geschichte der Mutter des erschossenen Einbrechers, die im und nach dem Krieg einen Sohn nach dem anderen verloren hatte.

Hansjörg Felmy spielt seinen Kommissar routiniert. Das ist durchaus nicht negativ gemeint. Kein Wunder, dass er zu den beliebtesten Ermittlern gehört.

Maria Schell wirkt sehr gekünstelt. Zunächst hielt ich es für Absicht, da ihre Rolle ja eine falsche Aussage vorzutragen hatte. Aber das gibt sich auch im weiteren Verlauf leider nicht. Ich würde ihr eher zutrauen, ihre Stieftochter tatsächlich umgebracht zu haben, als nicht in der Lage dazu gewesen zu sein. Mit ihren vielen Rollen (unter anderem eine kleinere Rolle im Superman von 1978) und Auszeichnungen vermute ich, dass sie überzeugender sein konnte, wenn sie mochte.

Romuald Pekny ist ein überzeugender Rechtsverdreher und verliert sein beherrschtes Äußeres auch erst, als Haferkamp ihn enttarnt. Er war abseits der Theaterbühne in einer Vielzahl von Fernsehfilmen zu sehen, unter Anderem auch in „Das Biest im Bodensee“, den ich damals tatsächlich im Fernsehen gesehen habe. Ich glaube der Film war eher albern.

Zu Rolf Becker habe ich ja schon viel Positives von mir gegeben. Sein Tierarzt ist sehr sehenswert. Man kann ihn in unzähligen TV-Filmen bewundern. Wenn man ihn hier so sieht, weiß man, woher Ben Becker seine Begabung hat. Wie der Vater so der Sohn.

Irina Wanka, die junge Angela, tritt nicht nur bis heute in Filmen auf, sondern synchronisierte schon so einige Größen, zum Beispiel Sophie Marceau in „LOL“ oder Charlotte Gainsbourg u.A. in „Antichrist“. Hier wirkt sie sehr teilnahmslos, aber dafür ist sie ja auch nicht die ganze Zeit dabei. Kleine Anmerkung für Leute mit seltsamen Geschmack, ihre Leiche zieht blank, öhm…

Der Tatort „Die Abrechnung“ hat womöglich einen etwas schleppenden Anfang, aber schon mit dem Prozessbeginn nach 15 Minuten zieht der Unterhaltungsgrad an. Ein Vertreter der Reihe, der sicherlich auch heute noch sein Publikum finden würde. Manchmal jedoch wirkt es, als würden die Figuren ihren Einsatz vermasseln. Das ist aber ein Eindruck, den viele der alten Tatorts erwecken, wenn jemand mitten im Satz von jemand anderem unterbrochen wird. Vielleicht ist das aber auch Absicht, das lässt sich kaum klären.

 
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Verfasst von - September 4, 2016 in Filmtagebuch, Tatorttagebuch

 

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Kais Tatorttagebuch, „Wodka Bitter-Lemon“ (BRD 1975)

Kais Tatorttagebuch, „Wodka Bitter-Lemon“ (BRD 1975)

Ein kleines Rätsel für all die Krimifans in den Weiten des Internets: Eine Person stirbt, man findet bald heraus, dass  Gift die Todesursache ist. Das Letzte, das die Person zu sich genommen hatte, war eine Cola mit Eis. In der  betreffenden Cola-Flasche lassen sich aber keine Rückstände nachweisen. Wo war das Gift? Wer die Antwort kennt, kann sich den Tatort sparen und gleich zu den letzten 5 Minuten springen.

Fabrikbesitzer Koenen nimmt auf dem Heimweg eine Anhalterin mit zu sich nach Hause. Zwar ist er verheiratet, doch seine Frau geht ihm schließlich auch fremd, und es macht den Anschein, als ob er es ahnt.

In der Familienvilla angekommen (seine Schwester und Mutter wohnen dort auch noch) bietet er seiner Eroberung den titelgebenden Wodka Bitter-Lemon an und geht dann erst einmal duschen, weil das das ist, was man in so einer Situation macht. Während Koenen sich erfrischt, macht das Mädel sich nackig und packt eine kleine Buddha-Figur ein (wie wir später erfahren, sammelt sie Trophäen von älteren Männern, mit denen sie in die Kiste gestiegen war).

Nach der heißen Dusche findet Koenen das Mädchen tot vor. Um sich dem öffentlichen Skandal (und der Blöße seiner Frau gegenüber) zu entziehen, schnappt er sich die Leiche und setzt sie auf eine Parkbank. Dummerweise war sie Auszubildende in Koenens Betrieb, gleichzeitig sah eine Freundin, wie sie am betreffenden Abend in Koenens Wagen stieg; zu guter Letzt hatte sie ja noch eine dieser Buddha-Figuren in ihrer Handtasche, die Koenen sammelt und überall herumstehen hat. So landet der Fabrikant schnell ganz oben auf der Liste der Verdächtigen.

Koenens Schwester gibt ihm jedoch jedes Alibi, dass er braucht, zudem findet sich in dem Wodka und auch in dem Bitter Lemon nicht die geringste Spur von Gift. Die einzige Person im Koenen-Haushalt, die Zugriff auf die tödliche Giftart (irgendetwas Arsenähnliches) hätte, wäre Koenens Frau Petra (da Hobbygoldschmiedin).

Haferkamp kommt bei seinen Ermittlungen nicht wirklich weiter, hat aber Petra als Verdächtige im Auge. Um Näheres zu erfahren, rekrutiert er kurzer Hand seine Ex-Frau (mit der er sich blendend versteht). Diese soll sich in Petra Koenens Freundeskreis einschleusen. Zu diesem Zweck reist man nach Sylt, weil Petra sich dort mit ihrem Künstlerliebhaber und seiner Bagage trifft, da dieser eine Ausstellung hat.  Der Künstler scheint Geldprobleme zu haben, was ja schon ein tolles Motiv für Petra darstellen würde, um ihren Mann zu erledigen und an das Erbe zu kommen.

Somit hätte Haferkamp ein Motiv, ihm fehlt aber immer noch ein stichhaltiger Beweis. Zu diesem hilft ihm seine Frau, die von einem Trinkspiel in der Künstlergruppe erzählt. Wer im Eiswürfel seines Drinks eine Figur (oder etwas Ähnliches) findet, der darf die Nacht mit einem der Künstler verbringen. Mal ganz abgesehen davon, dass das eine mehr als bescheuerte Regel ist, so kommt Haferkamp doch endlich auf die Idee, auch den Eisbehälter in Koenens Minibar zu untersuchen, und siehe da, es finden sich tatsächlich Spuren des Arsens. Dazu dann noch das Geständnis Petras, als sie mit dieser Tatsache konfrontiert wird, und der Fall kann sich als gelöst betrachten (sowie das Rätsel zu Beginn).  Bleibt nur noch zu erwähnen, dass Petras Künstlerschatz ihr in den Rücken fällt. Tja, jetzt hat sie ihre Lektion gelernt.

„Wodka Bitter-Lemon“ ist keines der großen Glanzlichter der Tatortgeschichte.  Das man Giftspuren im Eisschrank finden kann, hätte ich dem Kommissar schon von Anfang an sagen können. Das hätte jeder sagen können. Vielleicht waren die Zuschauer 1975 krimitechnisch noch etwas unbeleckter (das kann ich mir aber nicht wirklich vorstellen), aber das hätte auch damals kaum einen vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. Umso peinlicher wirkt es dann, dass der Kommissar erst durch ein dämliches Spiel auf die richtige Spur geführt werden muß.

Das Drehbuch stellt also die größte Schwäche dar, und das bei einem Drehbuchautor, der zu dem Zeitpunkt schon das eine oder andere Buch geschrieben hatte, zum Beispiel über den großen englischen Postraub. Vielleicht hatte Henry Kolarz ja nur einen schlechten Tag.

In einer Nebenrolle verschleißt sich sogar eine der Grande Dame des deutschen Fernsehens, Lili Dagover. Immerhin schon seit der Stummfilmzeit aktiv (unter anderem als Mata Hari), sowohl von Goebbels als „Staatsschauspielerin“ später mit dem Bundesverdienstkreuz der BRD geehrt (das ist mal eine Laufbahn), spielt sie hier die leicht demente Mutter von Koenen. Und das überzeugend, war sie ja auch zu  der Zeit nicht mehr die Jüngste.

Im Gegensatz zu ihr macht Claudia Amm (Petra Koenen) einen viel verschlafeneren Eindruck. Vielleicht soll das ihr schlechtes Gewissen sein. Andererseits hat Petra in der Familie auch nicht viel zu lachen, wird sie doch (offensichtlich zu Recht) von Mutter und Tochter Koenen angefeindet. Am bekanntesten ist frau Amm wahrscheinlich dafür, dass sie 1999 bei einem Amoklauf verletzt wurde.

Vom Rest wird gewohnte TV-Kost geboten. Erwähnenswert wäre vielleicht noch, dass Sky DuMont wieder einmal einen Unsympath spielt (nämlich den liebenswerten Künstlerliebhaber Petras). Solche Typen waren wohl damals sein Steckenpferd (und blieben es noch lange).

Was soll ich sagen, ich habe das Gefühl, dieser Tatort war/ist einer der unnötigsten, da der Fall nach 15 Minuten schon hätte geklärt sein müssen. Das macht aus diesem Tagebucheintrag allerdings eines der unnötigsten…naja, macht daraus, was ihr wollt, ich hatte irgendwie Spaß es zu schreiben.

 
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Verfasst von - Oktober 7, 2013 in Tatorttagebuch

 

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